HAMBURGER KUNSTHALLE, Regine Kränz 1
Die „Flora“ (1559) von Jan Massys (um 1509 – 1573) befindet sich seit 1919 in der Hamburger Kunsthalle. Die Restaurierungsgeschichte ist nur sehr lückenhaft überliefert.
Ziel einer erneuten Restaurierung in Zusammenarbeit mit Hyma Roskamp (Leiterin der Restaurierungsabteilung) in den Jahren 2002/ 2003 war es, Störungen im Erscheinungsbild zu mildern und das Gemälde in seiner besonderen malerisch-duftigen Qualität wieder erfahrbar zu machen.
Der Erhaltungszustand
Der Bildträger
Die von Massys verwendete Eichenholztafel ist aus vier Brettern gefügt. Deutliche Unebenheiten in den Brettfugen und ein Versatz der Malerei von 2 mm (in der Mitte des Bildes) sind das Resultat von Spannungen im Holz. Heute ist der Bildträger auf 4 mm gedünnt und mit einer Stäbchenplatte verstärkt.
Die Malschicht
Wie die Infrarotuntersuchung des Bildes zeigte, beschränkt sich Massys’ Vorzeichnung auf wenige Umrisslinien. Die Komposition ist also weitgehend malerisch mit Ölfarben auf hellem
Grund angelegt. Den Malvorgang begleiteten zahlreiche Reuezüge (Pentimenti), die alle mit bloßem Auge sichtbar sind. Der auffälligste Reuezug findet sich am rechten Arm der Flora: Der Arm sollte ursprünglich im rechten Winkel nach oben führen, später jedoch malte Massys in diesem Bereich üppiges Blattwerk. Weitere Korrekturen finden sich in der Anlage der Stadt, in der Form des auf den Fußboden hängenden Tuchs und in den Körperumrissen.
In der Farbwirkung legte Jan Massys größten Wert auf besondere Brillanz. Schwarz ist kaum Bestandteil seiner Palette. Vielmehr bevorzugte er leuchtende Töne und Lasuren, die in Verbindung mit dem Firnis Farbtiefe erzeugen. Massys’ besonderes Augenmerk galt dem Inkarnat der Flora, dessen zarte, nuancenreiche Modellierung porzellanartigen Charakter annimmt.

Erhebliche Farbveränderungen im Laufe der Jahrhunderte führten dazu, dass der einst im Bild angelegte Farbklang heute verborgen bleibt. Farbdegenerationen finden sich besonders im Rot und Gelb der Gewandaußen- und Gewandinnenseiten.

Die Oberfläche der Flora war ursprünglich sehr glatt, mit wenig ausgeprägtem Malduktus. Rissbildungen und Lockerungen in der Grundierungs- und Malschicht führten zu schüsselartigen Deformationen und Verlusten in der Farbschicht. Im Gegensatz zu Massy’s Intentionen hatte sich eine reliefartige Oberfläche gebildet.
Der Firnis
Der heute vorhandene Firnis ist nicht mehr original. Einzig die Verbräunungen bis hin zu der stark oxidierten Malschicht lassen vermuten, dass die Malerei einst von einem Ölfirnis überzogen war. Bei einer früheren, unsachgemäß durchgeführten Firnisabnahme wurde dieser schwer lösliche Überzug weitgehend entfernt. Erhebliche Substanzverluste in der Malerei wurden hierbei in Kauf genommen.
Dies führte insgesamt – deutlich sichtbar im Bereich der Steinbrüstung – zu einer störenden Formlosigkeit und Verunklärung der innerbildlichen Beziehungen: Gemalte Schatten standen gleichwertig neben späteren Verbräunungen; das fast schwarz wirkende Geäst oberhalb des rechten Arms konkurrierte mit dem hellen Hautton der Flora und erschien dadurch nicht als Teil des Mittel-, sondern des Vordergrunds; der Blick in die Tiefe des Bildes wurde durch eine unklare Horizontlinie beeinträchtigt und es entstand eine Schichtung von Ackerland, Fluss, Stadt und Himmel ohne Bezug zum Vordergrund. Schließlich waren die Gesichtszüge der Flora durch verfärbte Retuschen entstellt und die sehr weiche malerische Modellierung des Inkarnats durch Farbverluste empfindlich gestört.
Die Restaurierungsmaßnahmen
Am Beginn der Neurestaurierung der Flora stand die Klärung der vorhandenen originalen Substanz. Im ersten Schritt wurde die aufstehende Malschicht gefestigt und niedergelegt. Die nun glattere Oberflächenstruktur begünstigte die folgende Abnahme störender Einmalungen und Verbräunungen. Die meisten nicht originalen Ergänzungen konnten nach dem Quellen mit Lösungsmitteldämpfen mühelos mechanisch herausgenommen werden. In anderen Bereichen mussten die späteren Zutaten mit dem Skalpell abgetragen werden.
Besondere Schwierigkeiten machten die großflächigen Verbräunungen, die sich teilweise unlöslich mit der Farbe verbunden hatten und unter dem Mikroskop wie Farbschichtverätzungen wirkten. Mit Lösungsmitteln war es möglich, diese verbräunte Masse zu reduzieren. Besonderes Augenmerk richtete sich auf die Steinbrüstung im Vorder- und das Blattwerk im Mittelgrund. Die darunter verborgene Farbigkeit trat wieder bestimmend hervor, während zugleich das ganze Ausmaß der Beschädigung noch deutlicher wurde.
Nachdem die Malerei geklärt war, stellte sich heraus, dass die Farbe der alten Kittungen nicht als Untergrund für Retuschen taugen würde. Sie zu erneuern war unvermeidlich. In diesem Zusammenhang wurde auch der Übergang zwischen den Brettfugen verbessert.
Die anschließenden Retuschierarbeiten konzentrierten sich einerseits auf das Schließen der Fehlstellen, andererseits auf das Herstellen
einer Balance zwischen vorhandenen originalen Farbresten und gegebenen Verbräunungen. Die Fehlstellen wurden in strichelnder Technik aufgebaut, bis sie sich optisch dem Umfeld anglichen. Vorhandener Farbabrieb in der Umgebung wurde hierbei einbezogen. Farbverluste im Bereich der Steinbrüstung kennzeichneten sich durch Abrieb an den Schüsselrändern, so dass die in der Mitte noch vorhandene Farbigkeit auf die Ränder erweitert wurde. Verbräunungen wurden ebenfalls durch Retuschen gemildert oder optisch integriert. Im Verlauf der Arbeiten beruhigte und klärte sich damit das Erscheinungsbild der Flora; malerische Komponenten wie die Formen der Schatten oder die Rundungen des Sockels ergaben wieder Sinn. Ähnliches gilt für den Horizont, der allmählich wieder räumliche Tiefe vermittelte.
Im letzten Arbeitsgang stand der harmonische Gesamteindruck des Bildes im Mittelpunkt. Es galt, die einzelnen Bildbereiche mittels gezielter Farblasuren in Beziehung zu setzen. So wurde die überstrahlende Helligkeit im Himmel und im weißen Hüfttuch der Flora gemildert, Unregelmäßigkeiten im Firnis des Inkarnats wurden beseitigt und die formgebenden Hell/Dunkel-Werte der Brüstung klarer herausgearbeitet.
Durch den abschließend aufgetragenen Firnis ließ sich der Oberfläche ausgleichen und der Eindruck zusätzlicher Tiefe erzielen.
Nach Beendigung der Arbeiten präsentiert sich die Flora als ein geschlossenes Werk, dessen Blessuren zwar nicht völlig verschwunden sind, aber als solche nicht mehr bildbestimmend wirken.