ZUR RESTAURIERUNG
DER „TORWACHE“ VON CAREL FABRITIUS
STAATLICHES MUSEUM SCHWERIN
Regine Kränz
Carel Fabritius (1622 – 1654) kam bereits 32-jährig durch die Auswirkungen einer Explosion in der Munitionsfabrik in Delft, in deren Nähe sein Atelier lag, ums Leben. Wenige seiner Bilder sind erhalten, darunter die Torwache, die in seinem letzten Lebensjahr entstand. Anlässlich einer Retrospektive in Schwerin und Den Haag, die dem ungewöhnlichen Werk Carel Fabritius’ gewidmet ist, führte ich von Juni bis August 2004 eine öffentliche Restaurierung dieses Gemäldes (Abb. 1) im Staatlichen Museum Schwerin durch.
Maltechnik
Der Bildträger aus mittelstarker Leinwand (Leinwandbindung) ist von sehr guter gleichmäßiger Qualität und einschichtig in Grau-Braun bei mittlerer Helligkeit grundiert. Die Grundierungsschicht nivelliert die Leinwand nicht, so dass die Höhen des Gewebes in Bereichen dünnen Farbauftrags deutlich erkennbar bleiben. Der Grundierungsfarbton bildet in dunkleren Bildbereichen, wie dem Torbogen und dem Türeingang, sowie in der gesamten unteren Bildhälfte die direkte Basis für den Farbauftrag. In allen hellen Bereichen, wie der Mauer oberhalb des Torbogens, dem Himmel und der Mauer unterhalb des Treppenaufgangs, ist die Farbe zusätzlich schwarz unterlegt, wodurch die Leuchtkraft der hellen Farbtöne unterstützt wird.
Die Malerei selbst ist von Carel Fabritius in Öl ausgeführt. Auffallend ist ein Wechsel zwischen pastosem und lasierendem Farbauftrag sowie von kalter und warmer Tonigkeit. Insgesamt ist das Bild hell, lediglich die Schattenpartien sind abgedunkelt, ohne je schwarz zu sein – vielmehr zeichnen sie sich durch einen differenzierten Farbverlauf aus. Mehrfach hat Fabritius seine ursprüngliche Bildanlage korrigiert. Auffällig ist ein angelegter Türbogen in der Mauer rechts vom Soldaten, der mit sehr freier Pinselführung im Zickzack übergangen ist, sich aber dunkel abzeichnet. Im Detail finden sich außerdem Pentimenti im Gewehrkolben, in der Spitze des Gewehrlaufs und in der Spitze des Degens sowie seines Schattens . Am unteren Rand des Gewehrkolbens wie auch in der Schuhsohle des rechten Fußes verspringt die Farbschicht, was möglicherweise ebenfalls in Verbindung mit einer Korrektur durch den Künstler steht. Die einzelnen Farbflächen weisen konsequent ausgerichtete Pinselstriche auf. So ist die Führung im Fußboden horizontal, im Relief des Hl. Antonius und des Eingangs oben rechts jedoch vertikal, während der Farbauftrag in den Mauerflächen ungerichtet bleibt.
Der Keilrahmen ist nicht mehr original, sondern etwas größer als das originale Bildformat. Ebenso ist der Firnis einer früheren Restaurierung zuzuordnen.
Zustand vor der Restaurierung
Der Bildträger
Im Bild gibt es zwei Risse, von denen einer die Figur des Hl. Antonius diagonal durchschneidet. Der andere verläuft als Triangel horizontal durch den Körper des Hundes, um sich rechts vom linken Bein der Bank vertikal nach unten, den rechten Knöchel des Wächters durchtrennend, bis zum davor liegenden Stein fortzusetzen. Durch Hinterkleben des Bildes mit einer zweiten Leinwand hat man Anfang des 19. Jahrhunderts versucht, die beiden Risse zu stabilisieren. Gleichzeitig sind die Spannränder teilweise beschnitten und der Keilrahmen erneuert worden. Dicker Leimauftrag zwischen Original und Doublierleinwand führte im Laufe der Zeit zu Spannungen, wodurch sich das Bild konkav wölbte. Beide Risse stehen deutlich dachförmig auf (Abb. 2 und 8).
Die Malschicht
Die Bildränder sind umlaufend durch alte Papierbeklebungen abgedeckt. Diese sind wiederum teilweise übermalt, wobei die Übermalung sich zur Bildmitte hin fortsetzt und auch die originale Farbschicht überfängt. Besonders beeinträchtigend wirken sich die Übermalungen im Mauerwerk über dem Torbogen (Abb. 3) aus, wo sowohl im Bild links am Fuß des Reliefs des Hl. Antonius als auch oben rechts vom Relief die gemalte Fläche in Duktus und Farbigkeit erheblich verunklärt ist.
Weitere Übermalungen von verlustreichen Beschädigungen der Malschicht finden sich im Torbogen und im Fußboden und beeinflussen dort in ihrer Fehlfarbigkeit die malerischen Formen. So scheint der Stein unterhalb des rechten Stiefels des Soldaten nach unten durch eine dunkle Linie abgegrenzt zu sein, die gleichzeitig eine unglückliche Parallele zur Sohle des Stiefels bildet (Abb. 4).
Aus dem selben Grund wirkt der links an der Säule angeschlagene Zettel, als ob er mit einem Band befestigt sei.
Andere Übermalungen dienen dazu, Farbveränderungen zu kaschieren. Dies betrifft in erster Linie die Pentimenti, deren korrigierender Farbauftrag vom Künstler vermutlich transparent geworden ist. Vereinzelt betrifft es zudem dunklen Farbaufrieb wie rechts in der hellen Mauer unterhalb der Treppe und links des rechten Arms des Soldaten.
Im Durchblick zwischen Torbogen und „Wall“ oder „Mauer“ befinden sich zwei Häuser. Der Blick trifft beim rechten Haus auf die Hausecke, wobei die Gebäudelängsseite rechts von Bäumen und Sträuchern verdeckt wird, während die Giebelseite durch eine in der Farbigkeit und Oberflächenstruktur abweichende Form geteilt wird. In der Infrarotaufnahme lässt sich an dieser Stelle eine blockhafte Form ausmachen, die unten in einem breiter werdenden Halbbogen endet. In ähnlicher Form zeichnet sich in der UV-Aufnahme eine hellere Fläche ab (Abb. 5).
Mikroskopisch weist die Malschicht hier ein Craquelé auf, das Frühschwundrissen ähnlich ist und mit dem sonst typischen Craquelé im Bild nicht übereinstimmt (Abb. 6).
Das mikroskopische Bild zeigt eine insgesamt angegriffene Farboberfläche. Farbveränderungen (Vergrauungen) – vornehmlich im Schatten unter der Bank (Abb. 7); in Kleidung, Gesicht und Haaren des Soldaten sowie im Schatten des „Walls“ bzw. der „Mauer“ – führen zum Verlust an Tiefe und Brillanz im Bild.
Im Umfeld des Hl. Antonius und zu Füßen des Soldaten ist die Farbschicht zudem stark verputzt, wodurch die ursprünglich gemalten Formen, aber auch Farbdifferenzierungen verloren gegangen sind. Da der Farbauftrag außerdem zwar kompakt, aber ohne Duktus ist, entsteht der optische Eindruck von Übermalung. Mechanische Verletzungen der Farbschicht im Fußboden deuten denn auch auf den offensichtlichen Versuch hin, dieses Missverständnis zu beseitigen und die Farbfläche
abzutragen (Abb. 8).
Am oberen Rand des Schweinekopfs ist unter der Farbschicht deutlich eine abgegrenzte helle Kittung zu erkennen. Die daraufliegende Farbschicht setzt sich bis in die rechte Mantelhälfte des Hl. Antonius fort, übergeht also den gesamten Schweinekopf, ohne dass sich der Farbton auffallend vom Original unterscheidet. Es sind die größere Verdichtung der Malschicht und der Verlust an klarer Formgebung, welche zu einem unterschiedlichen Erscheinungsbild der linken und rechten Reliefhälfte führen (Abb. 9).
Der Firnis
Die relativ dicke und vergilbte Schicht zeichnet sich dadurch aus, dass Tiefen der Pinselstruktur verfüllt sind, womit sich eine glatte Oberfläche gebildet hat. Die tatsächliche Struktur der Farboberfläche ebenso wie Farbnuancen lassen sich auch unter dem Mikroskop nicht vollständig ermitteln. Sicher ist jedoch, dass das feine Spiel zwischen lasierenden, planen und pastosen, strukturierten Flächen nivelliert ist. Erschwerend kommt hinzu, dass Firnisansammlungen in den Tiefen bräunliche Flecken bilden, die mit der originalen Malerei konkurrieren. So wird z.B. ein horizontaler Pinselstrich im „Wall“ mit verfüllten Tiefen als ebenso dunkler Strich wahrgenommen wie der vom Künstler ausgeführte dunkle Farbauftrag, was die Unruhe in dieser Fläche unangemessen steigert und den Zugang (zum Bild bzw. zu dieser Fläche) erschwert.
Berücksichtigt man die überwiegend helle Farbigkeit im Bild und die durch Farbveränderungen grau gewordenen dunklen Bereiche, so ergibt sich eine unglückliche Umkehrung der Malerei: der vergilbte Firnis lässt die hellen Flächen dunkler erscheinen, während die dunklen Flächen durch ihre Veränderungen und zusätzlich durch den Firnis aufgehellt sind.
Restaurierungsmaßnahmen:
Eine Japanpapierkaschierung, mit Störleim aufgebracht, schützt das Bild bei der Abnahme der Doublierleinwand von der Rückseite und dient gleichzeitig der Malschichtfestigung. Der tierische Doublierleim lässt sich durch feuchte Kompressen anquellen und mechanisch abtragen (Abb. 10).
Die originale Leinwand ist in sehr gutem Zustand, so dass die Risse problemlos verwoben werden können. Fehlende Leinwandstücke werden auf diesem Weg ergänzt (Abb. 11) .
Die Bildränder werden vor dem Aufspannen mit Leinwandstreifen hinterfangen. Als Klebemittel dient Störleim. Umlaufende Papierbeklebungen inklusive der Übermalungen werden abgetragen. Übermalungen lassen sich nach dem Anquellen durch Ethanoldampf mit Alkohol und Schellsol T im Verhältnis 1:2 abnehmen. Das verbliebene Papier wird mit Wasser angequollen und mit Speichel und Skalpell abgetragen. Dicke Leimreste (Haut- oder Knochenleim) werden gleichermaßen entfernt. Die an den Rändern nunmehr freigelegte Malschicht verdeutlicht das ganze Ausmaß der bildbeeinträchtigenden Firnisschicht (Abb. 12).
Die Farbigkeit zeigt sich in allen fein differenzierten Abstufungen der Grün- und Rosatöne, während der Malduktus sich in den pastosen Bereichen als feines, aber starkes und ungerichtetes Relief darstellt.
Ein Reduzieren der Firnisschicht beschränkt auf die Tiefen erweist sich als technisch nicht lösbar. Es fällt die Entscheidung zu Gunsten einer weitestgehenden Firnisabnahme.
Die Arbeitsschritte entsprechen denen der Abnahme von Übermalungen. Der dann auch in den Tiefen vorgequollene Firnis ermöglicht ein unproblematisches Abrollen mit wenig Lösungsmittelflüssigkeit. Bei besonders hartnäckigen Stellen und in manchen Tiefen wird mit einem Mikroskalpell nachgeholfen. Neben den bereits erwähnten beeinträchtigten Farben und Oberflächenstrukturen klären sich auch Formen wie die Pferdeäpfel im Vordergrund. Der „Wall“ links der Säule ist zwar auch anschließend nicht eindeutig als solcher zu identifizieren, dennoch fügt sich die beruhigte Fläche ungleich harmonischer in das Bildganze.
Die einzelnen Farbflächen ordnen sich zueinander neu. Die Säule rückt noch vehementer ins Zentrum des Bildes und es entsteht eine größere Raumtiefe. Übermalungen im oberen Bildbereich und auf der Mauer rechts bleiben unlöslich und werden mechanisch abgetragen. Auch hier sind Fehlstellen mit der oben bereits erwähnten weißen Kittmasse verfüllt. Als Solitär bleibt die Form im Dachgiebel stehen, die sich nun mit ihrer glatten Oberfläche nicht mehr in das Umfeld einfügt (Abb. 6 und 13).
Diese Tatsache, aber auch das mikroskopisch divergierende Craquelé begünstigen die Annahme, dass es sich keinesfalls um ein Pentiment des Künstlers handelt, sondern um eine spätere Veränderung. Bei Proben zu einer Abnahme erweist sich die obere Farbschicht als leicht löslich und befördert eine Schicht zu Tage, die in optischer Erscheinung, Konsistenz und Lösungsverhalten exakt der mehrfach vorgefundenen weißen Kittmasse entspricht. Da die darunter liegende Malschicht vollkommen intakt ist, wird die Übermalung abgenommen, obschon die sich abzeichnende dunkle Form des Infrarotbildes vorab nicht geklärt werden kann. Sichtbar wird eine Figur, die sich nach rechts vorwärts bewegt und deren Füße von der Kuppe des „Walls“ bzw. deren Kopf und Oberkörper vom hinteren Torbogen verdeckt sind (Abb. 14).
Sämtliche Fehlstellen werden mit einer im Farbton der Grundierung pigmentierten Kittmasse aus Kreide und Leim unter Zugabe von wenig Leinöl verfüllt. Aquarell dient sowohl beim Schließen der Fehlstellen als auch für Lasuren als Retuschiermittel. Ein Zwischenfirnis besteht aus Mastixharz und der Abschlussfirnis aus Dammarharz in Terpentinöl. Beide Firnisschichten sind gespritzt.
Copyright: Regine Kränz